Das papierlose Gesundheitssystem

Rund 80 Prozent der Funktionen, die heute Mediziner erfüllen, werden in der Zukunft von Maschinen übernommen. Die fortschreitende Digitalisierung in der Medizin bedeute auch, dass IT-Unternehmen wie Google, IBM und Co. bald zu wichtigen Größen im Gesundheitswesen werden.

 

IBM hat zum Beispiel den Supercomputer Watson entwickelt. Der kann 800 Millionen Seiten in einer Sekunde lesen und analysieren. Kognitive Computersysteme wie Watson greifen zudem auf eine umfangreiche Informationssammlung zurück und können auf dieser Basis Hypothesen erstellen und bewerten.Das machen sich auch Mediziner zunutze: Onkologen in den USA nutzen Watson beispielsweise, um individuelle Therapieformen für Patienten zu entwickeln, passend zur jeweiligen Form der Erkrankung. Dafür wertet das System Millionen Seiten von Fachliteratur und Studien aus. Die Ergebnisse werden von Ärzten überprüft und dienen als Grundlage für einen individuellen Behandlungsplan.

 

Österreich liegt in der digitalen Medizin im Vergleich zu 17 anderen Ländern auf Platz 10. Als erstes deutschsprachiges Land hat Österreich zum Beispiel ein zentrales, öffentliches Gesundheitsinformationsportal eingeführt. Die Website gesundheit.gv.at informiert Besucher zu Krankheiten und Therapien. Zudem können Patienten hier ihren E-Befund abrufen. Darin enthalten sind unter anderem Diagnosebefunde und Entlassungsbriefe. Auf Wunsch kann der E-Befund für die ärztliche Einsicht geöffnet oder aber auch gesperrt werden.

Mit ELGA gibt es seit 2016 zudem eine elektronische Patientenakte. Zunächst waren nur Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen an die ELGA-Infrastruktur angeschlossen, sukzessive folgen aber Arztpraxen und Apotheken. Anonymisierte und pseudonymisierte Gesundheitsdaten dürfen in Österreich zum Zweck der eigenen Behandlung verwendet werden. Die Bereitstellung dieser Daten für die klinische Forschung war bislang nicht vorgesehen. Das änderte sich 2022. Voraussetzung ist eine erfolgreiche Prüfung der Forschungsanträge, außerdem muss geltendes Datenschutzrecht eingehalten werden.

 

Welche weiteren Möglichkeiten die digitale Medizin bietet, zeigt etwa der elektronische Impfpass. Über diesen können Österreicher nicht nur ihren Impfstatus einsehen, sondern erhalten auch personalisierte Impfempfehlungen, basierend auf dem nationalen österreichischen Impfplan. Darüber hinaus gibt der elektronische Impfpass Auskunft über die Durchimpfungsrate der österreichischen Gesellschaft – eine wichtige Information zur Risikoabschätzung. Eine große Zeitersparnis für Patienten bieten telemedizinische Anwendungen. Per Videosprechstunde ist der Arzt überall dort erreichbar, wo sich der Patient gerade befindet, etwa in der eigenen Wohnung oder auch am Arbeitsplatz. Virtuell kann der Arzt Vitalwerte abrufen, Rezepte ausstellen und diese dem Patienten auf digitalem Wege zusenden. In den USA bieten der American Telemedicine Association zufolge schon mehr als 60 Prozent der Krankenhäuser telemedizinische Dienstleistungen an.

 

Die digitale Medizin bietet Experten zufolge große Chancen, wenn es um die Vernetzung unterschiedlicher Datenquellen und Systeme geht.  Die Digitalisierung in der Medizin soll zudem die Grundlage für neue Innovationen bilden. Digital gesammelte Daten von Millionen von Menschen können zum Beispiel in anonymisierter und geschützter Form in medizinische Studien einfließen. Derartige Studien lassen sich schneller und effizienter durchführen und liefern ein klareres Bild von Therapie-Erfolgen und -Rückschlägen. Solche Statistik-Analysen werden als real-world-evidence, kurz RWE, bezeichnet. Die Zahl der klinischen Studien, die um RWE ergänzt werden, steigt seit Jahren. Eine fortschreitende Digitalisierung in der Medizin ermöglicht Experten zufolge zudem eine stärkere Personalisierung. Therapie und Diagnose werden genau auf den einzelnen Patienten und das jeweilige Krankheitsbild abgestimmt. Damit das gelingt, müssen Diagnostik und Therapie optimal zusammenspielen, wofür auch digitale Gesundheitsdaten benötigt werden.

 

Neben zahlreichen Chancen birgt die digitale Medizin auch einige Gefahren. Digital gespeicherte Daten sind anfällig für Cyber-Angriffe. Krankenakten werden unter den Cyber-Kriminellen mit 30 bis 500 US-Dollar pro Stück gehandelt, Kreditkartenangaben haben einen Wert von je 15 Cent. Das macht die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen so attraktiv.